Wir haben Jürgen zu seinem ehrenamtlichen Engagement, seiner Wahrnehmung Russlands nach Kriegsausbruch und der ukrainischen Spur in seiner Fanleidenschaft befragt.
– Jürgen, wann haben Sie sich entschieden, der Ukraine zu helfen? Hat dich einer deiner Freunde angerufen oder hast du die Geschichte im Fernsehen gesehen? Wie war es?
– Mich haben die Bilder die man sah sehr bewegt. Und man überlegt wie man am besten helfen kann. Mein bester Freund Tomek rief mich eines morgens an und fragte ob wir was tun können. Ursprünglich hatten wir geplant mit einem Auto zu fahren. Doch die Hilfsbereitschaft war so überwältigend das wir sehr schnell unseren Plan erweitern mussten. Am Ende sind wir mit 4 Fahrzeugen und 8 Personen gefahren.
– Haben Sie sich schon einmal freiwillig gemeldet?
– Natürlich “versucht” man immer hilfsbereit zu sein. Und wenn es meine Möglichkeiten zulassen helfe ich auch. Oft im kleinen Bereich und im privaten Umfeld. Oder sei es jetzt mit unserer E-Bike Welt wo wir auch viel versuchen zu helfen. Zum Beispiel haben wir jetzt auch ein Fahrrad speziell für kranke Kinder an ein Hospitz gespendet, oder auch einen Trikotsatz gesponsert für den an Ort ansässigen Handballverein. Es sind kleine Dinge, aber ich glaube das viele kleine Dinge auch helfen können.
– Im März haben Sie humanitäre Hilfe für Ukrainer nach Krakau geliefert. Plant ihr noch so etwas? Oder war es ein einmaliges Ereignis?
– Die Reise nach Krakau war sowohl in der Vorbereitung aber auch vor Ort emotional sehr anstrengend. Ich muss dann immer schauen das ich selber stark bleibe denn nur so kann man helfen. Aber ich bin mir sicher dass wir nochmal was auf die Beine stellen.
Wie deutsche Freiwillige Ukrainer unterstützen
– Wir wissen, was Ihre Mitstreiter Melanie und Stephan machen. Welches Geschäft haben Sie?
– Ich habe ein Geschäft für E-Bikes hier in Olpe. Dies haben wir im Mai 2021 eröffnet.
– Hat der Krieg in der Ukraine Ihr Geschäft irgendwie beeinflusst? Der Benzinpreis ist gestiegen, und vielleicht kaufen die Deutschen mehr Fahrräder?
– Schon ja, durch die rapide gestiegenen Benzinpreise wollen immer mehr Menschen das E-Bike zum Beispiel für die tägliche Fahrt zur Arbeit nutzen. Auf der anderen Seite sind viele Menschen aber auch unsicher was die Zukunft angeht und sind daher zurückhaltend.
– Wie stehen Russen, die in Deutschland leben, zum Krieg Russlands in der Ukraine? Kennen Sie Beispiele, wo auch Russen freiwillig Ukrainern helfen?
– Maksym, schon lange unterscheide ich nicht mehr zwischen Deutsche, Russen, Ukrainern, Türken oder sonst einer Nationalität. Ich unterscheide zwischen guten Menschen und bösen Menschen, die Nationalität ist mir da völlig egal. Aber ja, ich habe auch eine Verbundenheit zu russischen oder russischstämmigen Menschen. Und ich kenne auch einige die in der jetzigen Situation helfen. Wie Russischstämmige Menschen zu dem Krieg stehen hängt stark davon ab über welche Kanäle die Informationen gesammelt werden. Vieles wird nicht hinterfragt. Diese oft einseitige Sicht verschlimmert die Situation meiner Meinung nach.
– Hat sich die Einstellung zur Führung Russlands in Ihrer Familie seit Kriegsbeginn verändert?
– Nicht wirklich, nein. Ich habe Herrn Putin auch vorher schon für einen sehr gefährlichen Menschen gehalten. Aber leider sind meiner Meinung nach viele Politisch Mächtige in der jetzigen Zeit keine guten Menschen.
– Viele deutsche Politiker glaubten gleich zu Beginn des Krieges nicht daran, dass die Ukraine den russischen Truppen ernsthaften Widerstand entgegensetzen könnte. Hattest du die gleichen Gefühle oder hast du nicht darüber nachgedacht?
– Mir war durchaus bewusst dass die Ukraine sich nicht innerhalb von 2 Wochen erobern lässt. Und natürlich spielt die massive Unterstützung der Ukraine durch die Nato eine große Rolle. Ich glaube aber das wir nicht wirklich alles wissen was passiert und daher ist es schwierig für mich die Lage einzuschätzen. Ich habe nur Angst das wenn Herr Putin merkt das er so nicht weiterkommt er die nächste Eskalationsstufe startet.
– Haben Sie eine Ahnung, wie viele Ukrainer nach Kriegsbeginn nach Deutschland kamen?
– Wenn man den Nachrichten glauben darf, werden es wohl circa 250.000 sein.
– Der Krieg in der Ukraine dauert seit fast zwei Monaten an. In Deutschland sind diese tragischen Ereignisse bereits keine Top-News mehr?
– Doch, ich glaube schon. Die Welt ist unglaublich schnelllebig, aber der Krieg ist auch in meinem privaten Umfeld immer noch das hauptgesprächsthema.
– Welche neuen Dinge haben Sie in der Kommunikation mit Ukrainern entdeckt? Vielleicht hast du ein paar ukrainische Wörter gelernt?
– Ukrainische Wörter leider noch nicht. Was ich gelernt habe, und das ist wunderschön wie zum beispiel deine und meine Kinder völlig frei miteinander umgehen. Trotz Sprachbarriere. Sie spielen einfach miteinander. Da können wir Erwachsene sicher einiges von lernen. Kinder unterscheiden nicht.
– Kannten Sie einen der Ukrainer vor dem Krieg? Als die Klitschko-Brüder ihre Kämpfe in Deutschland abhielten, haben sie die Übertragungen gesehen?
– Ich bin sehr Fußball interessiert, kenne daher schon einige Ukrainer. Die großen Zeiten von Dynamo Kiew in den 90ern in der Champions League, oder die Relegationsspiele gegen die Ukraine zur WM 2002 zum Beispiel. Und natürlich ist man früher in der Nacht aufgestanden um die Klitschkos boxen zu sehen.
Maksym Rozenko